Expertenreaktionen auf kalifornische Studie: Geringeres Risiko der E-Zigarette erneut bestätigt

Berlin – Berlin – Laut einer im American Journal of Preventive Medicine veröffentlichten Studie, hat ein Konsument von E-Zigaretten eine 1,32-fache (um ~ 30% erhöhte) Wahrscheinlichkeit gegenüber einem Nichtraucher, an einer chronischen Lungenkrankheit zu erkranken. Die Wahrscheinlichkeit ist laut der Studie bei einer Tabakzigarette sogar 2,56-fach, also um ~ 160%, erhöht.

Die Studie zeigt also, dass Raucher ein wesentlich höheres Risiko für Lungenerkrankungen aufweisen, als dies bei Nutzern von E-Zigaretten der Fall ist. Die Interpretation der vorliegenden Daten weisen jedoch einige erhebliche Mängel auf:

  • Fehlende Berücksichtigung der Rauchhistorie
    Die meisten befragten E-Zigaretten-Konsumentenwaren zuvor Raucher oder sind es noch. Aufgrund des jahre-, bzw. jahrzehntelangen Konsums von Tabak-Zigaretten, kann eine Vorschädigung daher unmöglich ausgeschlossen werden. Dies ist selbst bei denjenigen der Fall, die komplett auf E-Zigaretten umgestiegen sind. Ohne die Dauer und Intensität des vorausgegangenen Konsums von Tabak-Zigaretten zu berücksichtigen, sind die getroffenen Aussagen daher nicht mehr als eine fragwürdige Spekulation, die wesentliche Faktoren außer Acht lässt.
  • Zu geringer Zeitraum für Erkrankungen
    Auch der Zeitraum der Betrachtung ist zu kurz um eine mögliche Erkrankung eindeutig dem Gebrauch der E-Zigarette zuzurechnen. Insbesondere Erkrankungen wie COPD, chronische Bronchitis oder ein Lungenemphysem entwickeln sich langsam und über einen wesentlich längeren Zeitraum. Hierbei spielt die vorangegangene Raucherhistorie eine wesentlich gewichtigere Rolle.
  • Ergebnisse für dualen Konsum nicht plausibel
    Die Ergebnisse, bezogen auf die gleichzeitige Verwendung von E-Zigaretten und Tabak-Zigaretten, sind nicht nachvollziehbar. Anstatt die Risikobewertung auf Grundlage der in den Umfragedaten vorliegenden Nutzungsdaten auszuwerten ziehen die Autoren es vor, das Dual-Use-Risiko über eine Multiplikation – der ohnehin unplausiblen – einzelnen Risikofaktoren zu errechnen. Bei Betrachtung der zugrundeliegenden Daten lässt sich vermuten, dass dieser Weg gewählt wurde, da die Daten die aufgestellte These eben gerade nicht untersützen.

Michal Dobrajc, Vorsitzender des Verbands des eZigarettenhandels (VdeH), stellt klar: „Die Autoren vernachlässigen bei ihren Interpretationen wesentliche Faktoren, wie Vorschädigungen durch das Rauchen und die Intensität und Häufigkeit des vorangegangenen Tabak-Konsums. Daher sind die getroffenen Schlussfolgerungen äußerst bedenklich.“ Dobrajc ergänzt: „Die zugrunde liegenden Daten zeigen jedoch eindeutig das geringere Risiko von Lungenerkrankungen beim Gebrauch von E-Zigaretten gegenüber dem Konsum herkömmlicher Tabak-Zigaretten.“

Der VdeH betont allerdings auch, dass E-Zigaretten keinesfalls völlig unbedenklich oder harmlos sind. Sie sind kein Produkt für Nichtraucher und Jugendliche, sondern eine potenziell weniger schädliche Alternative für Tabakraucher.


Reaktionen mehrerer Experten

Dr. Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum, Heidelberg in einem Interview mit dem WDR:

„Es gibt keinen klaren Beleg für die Aussage der Studie, dass E-Zigaretten schwere Lungenerkrankungen verursachen. […] Es ist auch möglich, dass das Risiko für Lungenerkrankungen bei E-Zigarettennutzer auf deren früheres Rauchverhalten zurückzuführen ist. […] Laut der Studie ist es vielmehr so, dass das Risiko für Raucher, Lungenerkrankungen zu bekommen, deutlich höher ist als für E-Zigaretten-Nutzer“

Dr. Riccardo Polosa, Direktor des Instituts für Innere Medizin und Klinische Immunologie an der Universität Catania, Italien via Twitter:

„Selbst bei starken Rauchern dauert es Jahrzehnte, bis sich COPD entwickelt. Es ist undenkbar, dass dies durch Dampfen verursacht werden kann. Im Januar, @CoeharUnict wird das erste Forschungsprojekt starten, das auch die langfristigen Risiken von Probanden bewertet, die dampfen, aber nie geraucht haben.“

Carl V. Phillips, Ökonom, Epidemiologe und ehemaliger Professor für öffentliche Gesundheit und Medizin äußerte sich bereits sehr früh zu der Studie, als diese im Rahmen einer Konferenz vorgestellt wurde:

„Der Forschungsansatz ist fatal fehlerhaft, da die Details der Rauchgewohnheiten der befragten Person überhaupt nicht vorliegen. (Professor) Glantz hat absurderweise darauf bestanden, dass die Studie das Rauchen unter Berücksichtigung von Variablen für das aktuelle und frühere Rauchen kontrollierte.“

Clive Bates, reagierte nachdem ein Abstrakt der Studie im August 2019 auf einer Konferenz vorgestellt wurde:

„Für die Ergebnisse, die wir hier beobachteten, ist wahrscheinlich das Rauchen die Ursache. Das Rauchen und das Dampfen sind bei den Benutzern eng miteinander verbunden, durch die Historie des vorangegangenen Nikotinkonsums. Dies bedeutet, dass eine hochentwickelte Entkopplung erforderlich wäre (was ich als unplausibel oder unmöglich betrachte), um die Auswirkungen des Rauchens zu beseitigen und eine unabhängige Auswirkung des Dampfens zu isolieren. Hierfür wäre eine detaillierte Betrachtung der Raucherhistorie erforderlich. […] Es sollte daher offensichtlich sein, dass es völlig unzureichend ist, nur den Raucherstatus (nie, früher, einige Tage, täglich) zu beurteilen.“

John Britton, Director des UK Centre of Tobacco and Alcohol Studies, University of Nottingham in einem Leserbrief an die britische Zeitung „The Times“:

 „Professor Glantz‘ Schlussfolgerung, dass Dampfen chronische Lungenerkrankungen verursacht, ist grundlegend falsch. Eines der wesentlichen Kriterien für kausale Inferenz ist, dass die Exposition gegenüber der Ursache dem Ausbruch der Krankheit vorausgeht. Drei der insgesamt vier untersuchten Krankheiten (COPD, chronische Bronchitis und Emphysem) brauchen Jahrzehnte, um klinisch ersichtlich zu werden und müssen in vielen der Fälle, wenn auch nicht diagnostiziert, schon lange vor Beginn seiner Studie im Jahr 2014 präsent gewesen sein, und zwar noch bevor E-Zigaretten etwa 2007 erstmals in den USA erhältlich waren. Auch weil die meisten Dampfer zuvor geraucht haben, sind die Ergebnisse mangelhaft. Da das Rauchen eine der Hauptursachen für chronische Lungenerkrankungen ist, tragen Dampfer unweigerlich ein erhöhtes Risiko für Lungenerkrankungen, lange nachdem sie mit dem Rauchen aufgehört haben. Glantz behauptet, er habe das statistisch berücksichtigt, aber sein Ansatz ist undifferenziert: Es fehlen Daten über die Dauer und die Intensität mit der geraucht wurde. Allein aus diesen Gründen ist seine Schlussfolgerung fadenscheinig.“

Prof. Dr. Michael Siegel, vom Department of Community Health Sciences der Boston University School of Public Health erklärt in seinem Blog:

 „Diese Studie ist zutiefst fehlerhaft, da sie die wahrscheinlichste Erklärung für die Studienergebnisse nicht berücksichtigt: Menschen, die E-Zigaretten verwenden, haben mit größerer Wahrscheinlichkeit eine intensivere Rauchhistorie als Menschen, die keine E-Zigaretten verwenden. […] Glücklicherweise haben zahlreiche andere Studien das Risiko von Lungen- und Atemwegsbeschwerden bei Rauchern untersucht, die auf E-Zigaretten umgestiegen sind. Diese Ergebnisse wurden verglichen mit Rauchern, die weiterhin rauchen. Dabei wurden sowohl objektiv als auch subjektiv dramatische Verbesserungen der Lungenfunktion festgestellt. Diese Fakten zeigen, dass im Gegensatz zu dem, was berichtet wird, E-Zigaretten keine Ursache für chronische Lungenerkrankungen sind.“