Die Regierungskoalition plant, maßgeblich getrieben durch Hardliner in der SPD, die Einführung einer E-Zigarettensteuer. Unter Verkennung wissenschaftlicher Fakten soll das 95 Prozent weniger schädliche Produkt künftig teurer werden als Tabakzigaretten. Die realitätsfremden Pläne führen in ein finanz- und gesundheitspolitisches Fiasko: Diese Erfahrung haben auch andere EU Länder bereits gemacht und mussten ihre Besteuerung revidieren.
Die neue Steuer auf „nikotinhaltige Substanzen zur Verwendung in E-Zigaretten“ („E-Liquids“) soll pro handelsübliches 10 ml Fläschchen mit dem maximal zulässigen Nikotingehalt ab dem 1. Juli 2022 zunächst 4,00 €, ab dem 1. Januar 2024 dann 8,00 € zzgl. Umsatzsteuer betragen (insgesamt also bis zu 9,52 €). Ausgehend von einem durchschnittlichen Verkaufspreis von ca. fünf Euro bedeutet die Besteuerung eine Verdreifachung des Verkaufspreises.
„Diese Steuerpläne machen fassungslos und man vermutet zunächst einen Rechenfehler. Eine derartige Verteuerung kann nur mit der Absicht erfolgen, den Konsum eines Produktes vollständig abzuwürgen,“
kommentiert Michal Dobrajc, geschäftsführender Vorsitzender des Verbands des eZigarettenhandels (VdeH), das Gesetzesvorhaben des Finanzministers Olaf Scholz. Der VdeH versperrt sich nicht grundsätzlich einer Besteuerung von E-Zigaretten, sie muss sich aber am zum Tabakrauch relativen Risikopotenzial orientieren. Entsprechend der wissenschaftlichen Erkenntnisse sollte sie daher nicht mehr als 5 Prozent der Steuerlast bei Tabak betragen. Geplant ist jedoch eine Steuerlast von 75 Prozent der Tabaksteuer.
Es ist in der Wissenschaft mittlerweile herrschende Meinung, dass E-Zigaretten – wenn auch nicht harmlos – im Vergleich zu Tabakrauch erheblich weniger schädlich sind. Dies bestätigen auch Stellungnahmen des BfR und des DKFZ. Die geplante Nikotinsteuer würde aber faktisch zu einer Luxussteuer und resultierte darin, dass Tabakwaren günstiger werden als E-Liquids. Verbraucher werden unweigerlich von weniger schädlichen E-Zigaretten zum viel schädlicheren Zigarettenkonsum zurückkehren.
Dies zeigen auch eindrucksvoll die Erfahrungen, die Italien vor einigen Jahren machte (bei damals nur halber Steuerlast im Vergleich zu den aktuellen Plänen). Die Zahl der E-Zigarettenkonsumenten ist dort um massiv eingebrochen und gleichzeitig stieg der Umsatz mit Tabakzigaretten deutlich an. Die tatsächlichen Steuereinnahmen betrugen ein Zwanzigstel der erwarteten. Ein Großteil der Fachhandelsgeschäfte hat geschlossen und der Schwarzmarkt florierte. Im Jahr 2018 sah sich die italienische Regierung dann gezwungen, die Steuer um 90 Prozent zu senken, um den unerwünschten Auswirkungen entgegenzutreten. Ähnliche Erfahrungen machten auch Estland und Ungarn.
Gleichwohl rechnet das Finanzministerium mit Steuereinnahmen von hunderten Millionen Euro pro Jahr, bei einer Steuerlast, die dem Fünffachen des EU-Durchschnitts entspricht und mehr als doppelt so hoch ist wie in Italien, wo sie gescheitert ist.
„Die Erwartungen der Einnahmen entbehren jeder Realität, zumal durch die massive Verteuerung und die hohe Kreuzpreiselastizität das Steuersubstrat vernichtet wird, bevor es überhaupt zu Steuereinnahmen kommt. Es ist unverständlich, weshalb wertvolle Erfahrungen aus anderen Ländern ignoriert werden und Deutschland einen Alleingang bei der Besteuerung anstrebt, während auf EU-Ebene zeitgleich Gespräche für eine harmonisierte Besteuerung stattfinden,“
gibt Michal Dobrajc zu bedenken.
Während Fraktionsmitglieder der CDU sich vereinzelt kritisch zu den Plänen äußern, begrüßt die SPD die Pläne ausdrücklich und hält „eine noch deutlichere Erhöhung (für) vernünftig“ (Lothar Binding). Dabei beruft man sich hier auf eine absolute Mindermeinung und stellt sich offen gegen den breiten Konsens in der Wissenschaft. Verlierer dieser Pläne sind die ehemaligen Raucher, die mit Hilfe der E-Zigarette erfolgreich ihre Gesundheitsrisiken reduzieren konnten und die aktuellen Raucher, die angesichts der massiven Verteuerung den Umstieg nicht mehr wagen werden. Vor einem zwangsweise entstehenden Schwarzmarkt warnt zudem die Gewerkschaft der Polizei in ihrer eigenen Stellungnahme und bezeichnet die Steuerpläne als „Startup für Schmuggler“.
Eine ausführliche Behandlung der Thematik nimmt der VdeH in seiner Stellungnahme im Rahmen der Verbändeanhörung zum Tabaksteuermodernisierungsgesetz vor.