Nikotin

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Nikotin nicht krebserregend [1]. Dennoch wird fälschlicherweise Nikotin häufig mit Tabakrauch gleichgesetzt und steht sinnbildlich für alles Schlechte beim Tabakkonsum.

„Die Menschen rauchen wegen des Nikotins, sterben aber am Teer“

Prof. Michael Russell untersuchte schon Ende der 70’er Jahre die Rolle des Nikotins bei der Zigarettenabhängigkeit und entwickelte Therapien zur Raucherentwöhnung. Er erkannte, dass „die Menschen wegen des Nikotins rauchen, aber am Teer sterben“. Er wird daher auch häufig mit dem Satz „people smoke for the nicotine but die from the tars“ zitiert [2].

Im Jahr 2012 wurde von Karl Fagerström, der Namen des Fagerström-Test für Nikotinabhängigkeit (FTND) in den Fagerström-Test für Zigarettenabhängigkeit (FTCD) umbenannt. Die Umbenennung wird damit begründet, dass Nikotin zwar ein wichtiger Bestandteil des Tabakrauchs ist, aber wahrscheinlich nicht die einzige Substanz, die an der Entwicklung der Tabakabhängigkeit beteiligt ist [3].

Inzwischen weiß man, dass die Abhängigkeit des Rauchers nicht alleine durch Nikotin verursacht wird. Es sind in erster Linie die bei der Verbrennung von Tabak entstehenden Substanzen wie z.B. MAOI-Hemmer, die verantwortlich sind für die süchtig machenden Eigenschaften von Zigaretten [4].

In Laborexperimenten führte selbst eine kontinuierliche Inhalation von reinem Nikotin über einen Zeitraum von zwei Jahren nicht zu einer erhöhten Sterblichkeit, Lungenerkrankungen, Arterienverkalkung oder vermehrten Tumorvorkommen [5], obwohl die Nikotinkonzentrationen doppelt so hoch waren wie bei starken Rauchern üblich.

Nach wie vor gibt es keine Belege für einen Zusammenhang zwischen Nikotin und der Entstehung oder Ausbreitung von Atherosklerose [6]. Vielmehr sind die toxische Mischung aus polyzyklischen Kohlenwasserstoffen, tabakspezifischen Nitrosaminen, Oxidationsmitteln, Kohlenmonoxid und Tausenden von anderen Chemikalien im Zigarettenrauch für die Entstehung der Atherosklerose verantwortlich [7]. Nikotin verursacht auch keine Krebs-, Lungen- oder Herzerkrankungen. Ursächlich sind die chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung von Tabak entstehen [8].

Das Kernproblem von Nikotin liegt also nicht in der Substanz selbst, sondern in den Risiken, die mit dem Konsum durch das Verbrennen von Tabak verbunden sind. Daher sind auch herkömmliche Zigaretten für den Großteil der tabakbedingten Erkrankungen und damit verbundenen Todesfälle verantwortlich [9].

Der Umstieg auf E-Zigaretten kann das Bedürfnis nach Nikotin befriedigen und ein „Raucherlebnis“ bieten, ohne dabei den schädlichen Bestandteilen des Tabakrauchs ausgesetzt zu sein, die für viele Gesundheitsschäden ursächlich sind [10]. Ernsthafte Schäden durch Nikotin beim Konsum von E-Zigaretten sind nicht zu erwarten [11-12].

Nikotin ist nicht schädlicher für die Gesundheit als Koffein

Reines Nikotin ist nicht schädlicher für die Gesundheit als Koffein [13]. Es kann sogar kurzfristig die Aufmerksamkeit, Leistungsfähigkeit und kognitive Fähigkeiten verbessern [14-15]. Studien zeigen daher auch, dass Personen, die längere Zeit Nikotin ausschließlich mit E-Zigaretten statt mit Tabakzigaretten konsumierten, besser in der Lage sind, mit Stress umzugehen [16].

Nikotin hat nicht nur entzündungshemmende Wirkungen [16-17] sondern wirkt auch schmerzlindernd [16]. Vor allem bei älteren Menschen ist zu beobachten, dass Nikotin die Denkleistung und die Stimmung verbessert. Gleiches gilt für Personen mit leichten Depressionen, kognitiven Störungen [18-20] und Schizophrenie [21].

Wissenschaftliche Studien legen nahe, dass Nikotin vor Parkinson [22-25] und Alzheimer [22,26-27] schützt und bei bereits Betroffenen Personen die Symptome spürbar lindern kann. Darüber hinaus kann Nikotin die Symptomatik bei AD(H)S [22,28] Patienten verbessern. Nikotin hat aber auch eine wichtige Funktion beim Schutz vor einer Dickdarmentzündung [29-31].

Die Geräteleistung und das Nutzerverhalten [32], der Widerstand des Heizdrahts und die Leistung der E-Zigarette sowie der Nikotingehalt im Liquid wirken sich direkt auf die Aufnahme von Nikotin im Körper aus [33]. Unabhängig vom Gerätetyp sind die Konsumenten vergleichbaren Nikotinmengen wie beim Rauchen ausgesetzt [34], wobei E-Zigaretten mit Nikotinsalz-Liquids effektiver in der Nikotinabgabe sind [35] ohne dabei Auswirkungen auf die Intensität des Konsums zu haben [36].

Fehlinformationen zu Nikotin sind weit verbreitet

Oftmals wird davor gewarnt, dass Nikotin schädliche Auswirkungen auf die Entwicklung des jugendlichen Gehirns haben könnte. Diese Erkenntnisse stammen allerdings aus fragwürdigen Tierstudien, bei denen es zweifelhaft ist, in welchem Maß diese Ergebnisse überhaupt auf Menschen übertragbar sind. [37]. Den Studien widersprechen auch Beobachtungen aus der Praxis: Menschen, die in ihrer Jugend geraucht haben, zeigen im hohen Alter keine signifikanten Unterschiede in ihren kognitiven Fähigkeiten, verglichen mit Personen, die niemals geraucht haben [38-39].

Nikotin wird auch häufig als eine besonders giftige Substanz dargestellt. Noch vor Kurzem wurde behauptet, dass die tödliche Dosis für Erwachsene bei 60 mg oder weniger liegt. Diese Annahme stammt jedoch aus einem Lehrbuch aus dem Jahr 1906 und basiert auf zweifelhaften Selbstversuchen. Heute geht man davon aus, dass die tatsächliche untere Grenze, die zu schwerwiegenden Folgen führt, rund 50 Mal höher ist [40]. Auch hier zeigen Beobachtungen aus der Praxis, dass Personen, die bis zu 1500 mg Nikotin in E-Liquid zu sich nahmen, lediglich Bauchschmerzen und „heftiges Erbrechen“ bekamen [41].

Leider werden noch immer Fehlinformationen sowie falsche Aussagen über das Suchtpotenzial von Nikotin und damit verbunden stark überzogene Gesundheitsrisiken verbreitet [42]. Viele Raucher sind falsch über die relativen Risiken von Nikotin informiert [43]. Selbst im Gesundheitswesen ist die Desinformation weit verbreitet. Ein Großteil der Raucher [44] und rund 85 % der Ärzte glauben fälschlicherweise, dass Nikotin verantwortlich für die Entstehung von Krebs und COPD ist [45].

Der VdeH fordert die deutschen Gesundheitsorganisationen auf, eine dringend notwendige Aufklärung bezüglich der tatsächlichen Risiken von Nikotin zu betreiben. Dafür müssten die medizinischen Lehrpläne reformiert und in den Medien mit Nikotin-Mythen aufgeräumt werden. Wenn sachliche Aussagen über Nikotin thematisiert werden würden, könnte die gesundheitspolitische Diskussion enorm davon profitieren – und damit auch die Gesundheit vieler Menschen.


Quellen

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2 Russell MA. Low-tar medium-nicotine cigarettes: a new approach to safer smoking. Br Med J. 1976 Jun 12;1(6023):1430-3. doi: 10.1136/bmj.1.6023.1430. PMID: 953530; PMCID: PMC1640397.
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VdeH Oktober 2023